Grenzen und Mauern einreißen
– für eine solidarische Gesellschaft!


Aufruf

Grenzen und Mauern einreißen – für eine solidarische Gesellschaft!

Lasst uns gemeinsam am 31. Dezember 2012 gegen Gefängnisse und Zwangsanstalten demonstrieren, um unsere Solidarität mit den Gefangenen auszudrücken. Nachmittags gehen wir zum Lichtenberger Frauengefängnis und am Abend vor die JVA Moabit.

Gefängnisse als Teil gesellschaftlicher Zurichtung

Gefängnisse standen seit ihrer Einführung dafür gesellschaftliche Konflikte wegzusperren und unliebsame Teile aus der Gemeinschaft zu isolieren. Patriarchale Herrschaftssicherung wurde dabei gerade in der frühen Form der „Zuchthäuser“ deutlich, in denen vermeintliche Bettler_innen, „umherstreifendes Gesindel“, „arbeitsscheue Menschen“, so genannte „sittlich verwahrloste Frauen“ und Sex-Arbeiterinnen verschwanden und ausgebeutet wurden.

Die kapitalistische Verwertungslogik bewirkt, dass immer mehr Menschen nicht mehr in der Lage sind, ihr Leben ohne Konflikte mit den herrschenden Gesetzen zu gestalten. Armut, fehlende soziale Netzwerke und Zeitmangel führen dazu, dass viele ihre Schulden nicht mehr bezahlen können und immer häufiger ihrer Freiheit beraubt werden. Ähnliches lässt sich in vielen Gegenden der Welt beobachten.

Menschen, die sich organisieren und gegen kapitalistische, rassistische, sexistische und andere Gewalt wehren, bekommen oft die volle Kraft der staatlichen Repression zu spüren. Haft als Sanktionierung politischen Widerstands ist inzwischen überall zum alltäglichen Problem geworden. Auch die Überwachungsparagraphen 129a und b dienen den Herrschenden dazu, nach Belieben Widerständige auszuspionieren und einzusperren, sowie ihre Angehörigen und Genoss_innen einschüchtern zu können. Gülaferit Ünsal wird seit über einem Jahr im Lichtenberger Frauengefängnis festgehalten und nach 129b in einem politischen Prozess in Moabit vermutlich demnächst als vermeintliche „Terroristin“ verurteilt. Ein weiterer Hintergrund in diesem Schauprozess ist auch das Interesse des deutschen Staates ungehindert polizeiliche Hoheit im europäischen Umland auszuüben.

Wir wollen verschiedene stattfindende Kämpfe gegen die Logik der Disziplinierung und Kontrolle zusammenbringen, ohne die ihnen eigenen Merkmale und Besonderheiten zu verwischen. Wir möchten, dass klar wird, warum der Knast uns alle angeht. „Niemand ist frei, bis wir alle frei sind“ ist keine Phrase vergangener Tage. In Diskussionen tauchen immer wieder die Fragen auf, welche Gefangenen zu unterstützen seien oder welche Alternativen den Knast ablösen könnten. Dabei wird deutlich, dass wir permanent gemeinsame Kritik üben müssen, um zu verhindern, dass der Komplex der verschiedenen Gefängnisse und Zwangsanstalten in unseren Köpfen überdauert. Wir wollen uns nicht der Logik fügen, die den Knast am Leben erhält. Wir sehen die Überwindung aktuelle Strafdiskurse – wie sie derzeit beispielsweise vom Neuköllner Bezirksbürgermeister Buschkowsky medial angefeuert werden – als wichtigen Bestandteil auf dem Weg zu einer herrschaftsfreien Gesellschaft.

Gefängnisse und das Märchen der „Resozialisierung“

Wir sehen einen Zusammenhang dazwischen, wie uns der Knast von Menschen trennt, die gegen herrschendes Recht verstoßen haben und den Praktiken, in denen Menschen beispielsweise ohne Lohnarbeit, Geld, Papiere, akzeptiertem Geschlecht oder Sexualität, Herkunft oder ethnisierbare Merkmale ausgegrenzt und ausgebeutet werden.

Deswegen verwundert es nicht, dass hinter den Gefängnismauern hauptsächlich diejenigen zu finden sind, die gesellschaftlich besonders ausgegrenzt sind und ein ungleich höheres Risiko tragen müssen, Diskriminierung und Gewalt zu erleben. Wenn Geflüchtete in Lagern auf ihre Abschiebung warten; Trans*leute psychiatrisch behandelt werden; türkische oder kurdische Genoss_innen nach §129b verfolgt oder Firmen eingeladen werden, ihre Fließbandproduktion kostengünstig im Knast (z.B. in der neuen JVA Heidering) verrichten zu lassen, begreifen wir dies als besonders sichtbare Überschneidungen verschiedener Mechanismen, Menschen gefügig zu machen.

Wenn ich über geringes Einkommen verfüge und wie viele andere wegen Eigentumsdelikten angeklagt werde, wird es mir sehr schwer fallen, das nötige Geld aufzubringen, die Anwaltskosten zu bezahlen und zumindest die Chance zu erhöhen, nicht inhaftiert zu werden. Wenn ich im Knast bin, werde ich vielleicht zu den vielen Menschen gehören, deren Angehörige mich wenig besuchen und unterstützen können, weil ihnen das Geld dafür fehlt. Von dem miesen Stundenlohn für die Zwangsarbeit im Knast werde ich mir mit Sicherheit nicht viel mehr leisten können, als ab und zu die teuren Sachen beim Knastsupermarkt zu kaufen.

Wenn ich dann aus dem Knast entlassen werde, mich um eine Wohnung, einen Job, meine Schulden, meine angeknacksten/verlorenen sozialen Kontakte, … kümmern muss, werde ich mit Sicherheit sagen können, dass der Knast mir nicht geholfen hat, weil er mir gezeigt hat, dass sich meine Probleme nicht lösen lassen.

Der Knast schafft sogar noch mehr Probleme und verstärkt vorhandene. Was es mit mir macht, eingesperrt zu sein und jeden Tag zu erfahren, dass ich behandlungsbedürftig bin und „resozialisiert“ werden muss, können nur die Menschen berichten, die Knasterfahrung haben, aber nur selten gehört werden.

Gefängnisse als gesteigerte Form der Ausbeutung

Mit der gesellschaftlichen Fokussierung auf das Eigentum und dem massiven Interesse einer bestimmten Schicht daran, dieses zu sichern, landen im Laufe der Zeit immer mehr Menschen auf Grund von Eigentumsdelikten in den Gefängnissen. Seit einiger Zeit werden Gefängnisse privatisiert und Inhaftierte zu Arbeiten für Hungerlöhne gezwungen.

Beinahe unbemerkt verschafften sich einige Bau- und Sicherheitskonzerne in den letzten Jahren Zugriff auf den Justizvollzug und die erzwungene Arbeitskraft von Gefangenen. Es ist zu beobachten, wie in einem schleichenden Prozess die Privatisierung und Industrialisierung von Gefängnissen in der BRD voranschreitet. Der permanente Sozialabbau bringt viele Menschen in eine prekäre Situation. Nach dem Vorbild der USA nehmen Lobbyisten Einfluss auf die Gesetzgebung, um immer mehr Menschen für Bagatell- und Armutsdelikte in Haft zu bringen. In einigen Bundesländern erwartet Gefangene inzwischen Zwangsarbeit am Fließband. Mit Blick auf die USA lässt sich heute schon vorher sagen, was die verheerenden gesellschaftlichen Auswirkungen einer solchen Ausbeutung sein werden: Masseninhaftierung des armen Teils der Bevölkerung und rassistische Ausgrenzung gesellschaftlicher Minderheiten. Noch können wir Konzernen wie Bilfinger-Berger, Kötter oder Serco und ihren gekauften Politiker_innen in die Suppe spucken.

Kommt am 31. Dezember 2012 gemeinsam für die Freiheit
aller Gefangenen auf die Straße!

Grenzen und Mauern einreißen – für eine solidarische Gesellschaft!


Termine

Dienstag, 20. November – 20:00 Uhr – Stadtteilladen Lunte

“Black Power” – Vortrag und Film

Aus den US Bürgerrechtskämpfen entwickelte sich Mitte der 1960iger die “Black Power” Bewegung, welche innerhalb weniger Jahre wichtige antirassistische Impulse und eine revolutionäre Aufbruchsstimmung weit über die USA hinaus bewirken konnte. Für viele Jahre ermöglichte diese Bewegung den People Of Color ein zuvor nicht gekanntes Maß an gesellschaftlicher Teilhabe. Sie wurde allerdings auch mit äußerster Brutalität bekämpft und bis heute bemühen sich Teile der US Gesellschaft, ihre Errungenschaften zurück zu drängen. Trotzdem prägen die Art und Weise der Black Power Bewegungsdiskurse bis heute die Auseinandersetzungen der Radikalen Linken in vielen Ländern mit. (30 minütiger Vortrag vom Berliner Free Mumia Bündnis)

anschließend der Film “Black Power Mixtape 1967 – 1975″

Lunte – Weisestr. 53 – 12049 Berlin Neukölln – U8-Boddinstr.

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Dienstag, 27. November – 20:00 Uhr – Stadtteilladen Lunte

“Gefängnisindustrie – moderne Sklaverei als Sozialmodell im Neoliberalismus”

Seit Mitte der 1970iger sind Public Private Partnerships im Strafvollzug der USA zu beobachten. Aus einem anfänglich kleinen Unternehmen ist eine der größten Binnenwirtschaftsindustrien der USA geworden, die inzwischen auch in Europa Nachahmung erfährt. Gleichzeitig explodierten förmlich die Inhaftierungsraten in den USA – 1/4 aller weltweit Inhaftierten sitzt dort ein und leistet zum großen Teil Zwangsarbeit – die überwiegende Mehrheit von ihnen People Of Color. Parallel zum Aufbau der Gefängnisindustrie wurde die wenigen rudimentären Sozialstaatsleistungen komplett abgebaut. In einem ca. 1 stündigen Vortrag gibt das Berliner Free Mumia Bündnis einen Überblick über Entstehung und aktuelle Dimension der Gefängnisindustrie und schaut auch auf aktuelle Entwicklungen in diesem Land.

anschließend der Film “Prison Valley – Wirtschaftsektor Strafvollzug” (Fr/USA, 2010)

Lunte – Weisestr. 53 – 12049 Berlin Neukölln – U8-Boddinstr.

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Dienstag, 4. Dezember – 20:00 Uhr – Stadtteilladen Lunte

Free Mumia! Politische Repression in den USA

In dieser Woche jährt sich zum 31. Mal die Inhaftierung des afroamerikanischen Journalisten Mumia Abu-Jamal, der wie kaum ein anderer Gefangener über die Realität von Isolationshaft, Todesstrafe, Gefängnisindustrie, institutionellen Rassismus und politische Repression in den USA publiziert hat. Er ist jedoch nur einer von ca. 4000 politischen Gefangenen in einem Land, was offiziell Meinungsfreiheit und Demokratie postuliert. In einem halbstündigen Überblick möchte das Berliner Free Mumia Bündnis auf verschiedene politische Langzeitgefangene und die Repression gegen die Bewegungen eingehen, aus denen sie kommen.

anschließend der Film “Justice On Trial” (USA 2010, OmU)

Lunte – Weisestr. 53 – 12049 Berlin Neukölln – U8-Boddinstr.

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Mittwoch, 5. Dezember – 21:00 Uhr – Friedelstr. 54

Essen + Film

Ende des Jahres werden in vielen Orten der Welt Knastkundgebungen stattfinden, so auch wieder in Berlin. Im Rahmen der diesjährigen Mobilisierung zeigen wir den Film „Cries in concrete„. Ein Film über die Massenproteste und Unruhen in griechischen Knästen 2008. Dazu gibt es leckeres veganes Essen…

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Dienstag, 11. Dezember – 20:00 Uhr – Stadtteilladen Lunte

Todesstrafe – Staatsterrorismus zur Einschüchterung der Bevölkerung

Am 10. Dezember wird von der UNO jährlich der Tag der Menschenrechte begangen, während nicht wenige der teilnehmenden Regierungen sich noch immer das Recht herausnehmen, Gefangene zu ermorden. Der Todesstrafe kommen dabei immer “ordnungspolitische” Funktionen zu. Am Beispiel der USA als letzter westlicher Demokratie mit weltweiter Vorbild- bzw. Alibifunktion möchte das Berliner Free Mumia Bündnis genauer auf die juristischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen der Todesstrafe eingehen, um den herrschaftsstabilisierenden Charakter zu verdeutlichen (Vortrag ca. 40 Minuten).

anschließend der Film “Die letzten Worte der Frances Newton – Chronik einer Hinrichtung” (BRD/USA 2006)

Lunte – Weisestr. 53 – 12049 Berlin Neukölln – U8-Boddinstr.

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Freitag, 14. Dezember – von Berlin nach Frankfurt/Main

Ein Bus der Solidarität von Berlin nach Frankfurt/Main

zum Prozess gegen Sonja und Christian am 14. Dezember
Wir wollen zusammen nach Frankfurt fahren und unsere Solidarität praktisch ausdrücken, damit der Prozess unter großer Öffentlichkeit begleitet wird. Der Staat vergisst auch nach 33 Jahren nichts. Wir auch nicht.
Es ist ein Teil linker Geschichte, über die dort verhandelt werden soll. Sonja und Christian sind trotz ihres Alters von 79 und 70 Jahren nicht bereit mit dem Staat zu kooperieren und zeigen, dass eine kompromislose Haltung gegen den Staat keine Frage des Alters ist.

Fahrkarten bekommt ihr zum Preis von 25 Euro in den folgenden Läden:

Buchladen Schwarze Risse im Mehringhof
Gneisenaustr. 2a, Kreuzberg 61

Disorder Rebel Store
Mariannenstrasse 49, Kreuzberg 36

Buchladen zur schwankenden Weltkugel
Kastanienallee 85, Prenzlauer Berg

Wir treffen uns zur Abfahrt am 13.12. um 23:30 Uhr am Rosa-Luxemburg-Platz. Der Prozess beginnt um 9:00 Uhr, aber ein pünktliches Erscheinen um 8:00 Uhr ist notwendig.

Am Nachmittag ist geplant zum Knast Preungesheim zu fahren und dort eine solidarische Kundgebung zu veranstalten. Nach Berlin zurückfahren werden wir gegen 18:00 Uhr.

Infos zum Prozess und aktuelle Prozessberichte findet ihr unter www.verdammtlangquer.org

Infos zur Geschichte und Politik der Revolutionären Zellen unter www.freilassung.de

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Dienstag, 18. Dezember – 20:00 Uhr – Stadtteilladen Lunte

Free Leonard Peltier – indigener politischer Widerstand in den USA

Die nordamerikanische Urbevölkerung wurde in ca. 500 Jahren Kolonialisierung beinahe vollständig umgebracht. Aktuell macht der Anteil Indigener an der Bevölkerung der USA nicht mal einen Prozent aus – viele sind inhaftiert. Nach dem Vorbild der Black Panther Party entwickelte sich jedoch in den frühen 1970igern entschlossener Widerstand, dem von Seiten der Behörden bis heute mit Repression und Ignoranz begegnet wird. Eine ca. halbstündige Einführung vom Berliner Free Mumia Bündnis.

anschließend der Film “Incident At Oglala” (USA 1992, deutsch)

Lunte – Weisestr. 53 – 12049 Berlin Neukölln – U8-Boddinstr.

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Montag, 31. Dezember – 15:00 Uhr – S+U-Bhf Frankfurter Allee

Demo zum Frauenknast Lichtenberg

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Montag, 31. Dezember – 22:45 Uhr – U-Bhf Turmstrasse

Demo zur JVA Moabit


Interview, Presse

Ein Artikel zur Demo, erschienen am 27. Dezember in der Tageszeitung taz:

Auf zum Knast

Jedes Jahr wird an Silvester vor dem Knast in Moabit demonstriert – aus Solidarität und um gegen das Einsperren als Lösung sozialer Konflikte zu protestieren

Noch drei Tage, dann ist wieder Silvester. Traditionell gibt es Sekt, Tischfeuerwerk, Bleigießen und Dinner for One oder wildes Berauschen und Rumböllern. Seit Jahrzehnten gibt es auch eine politische Alternative: Die traditionelle sogenannte Anti-Knast-Silvesterdemo. Auch in diesem Jahr wird wieder mobilisiert. Los geht es bereits am Nachmittag: Um 15 Uhr startet an der Frankfurter Allee eine Demonstration zur Justizvollzugsanstalt Lichtenberg, die ein reines Frauengefängnis ist. Um 22:45 Uhr beginnt dann am U-Bahnhof Turmstraße wie gewohnt die Demo zur Justizvollzugsanstalt Moabit. Das Motto beider Protestzüge lautet in diesem Jahr: „Grenzen und Mauern einreißen – für eine solidarische Gesellschaft“.

Aufgerufen zu den Demonstrationen hat ein Bündnis aus Einzelpersonen sowie den beiden Gruppen „Freiheit für Mumia Abu-Jamal“ und „Anarchist Black Cross Berlin“ (ABC Berlin). Die Gefangenen-Solidarität hat bei ABC Berlin eine lange Tradition: Bereits in den 1920er Jahren während des russischen Bürgerkriegs unterstützte die Gruppe gefangene AnarchistInnen in Russland.

Die Anti-Knast-Demonstration in Berlin organisiert die Gruppe seit vielen Jahren mit. Wann genau die Demo zum ersten Mal stattgefunden hat, weiß man bei ABC Berlin nicht mehr. Lediglich der Grund ist bekannt: Man wollte den Leuten Gesellschaft leisten, die Silvester allein in ihren Zellen verbringen müssen, während der Rest zusammen feiert. „Es ging darum, ein Zeichen zu setzen“, sagt Murat von der ABC-Berlin. An den Demos der letzten Jahre haben sich mehrere hundert Menschen beteiligt.

Die Forderung hat sich über die Jahre nicht geändert. So verlangen die AktivistInnen eine Gesellschaft, die ohne jegliche Form von Einsperrung auskommt. Die Forderung ist für die Gruppe alles andere als utopisch. Eine hierarchiefreie und solidarische Gesellschaft könne andere Wege finden, als Menschen einfach nur wegzusperren, sagt Murat. Zumal man mit der Inhaftierung von Personen nur die Symptome nicht aber die Ursache bekämpfe. Statt zum Beispiel SexualstraftäterInnen zu inhaftieren, solle lieber untersucht werden, warum die Personen ihre Taten begangen haben. Entsprechend fordert die Gruppe, gesellschaftliche Verhältnisse zu ändern statt Individuen zu kriminalisieren. Diebe sollten nicht bestraft werden, vielmehr solle dafür Sorge getragen werden, dass es erst gar nicht zu Diebstählen komme. Für die Gruppe wäre eine bessere Entlohnung für Arbeit oder die Senkung der Preise für Lebens- und Konsumgüter denkbar. „Die Leute wollen doch auch nur über die Runden kommen“, sagt Murat. Dass in Berlin zur Zeit tausend BerlinerInnen im Gefängnis sitzen, weil sie schwarzgefahren sind, findet Murat „unglaublich“. Bei ihren Forderungen unterscheiden die OrganisatorInnen nicht zwischen politischen Häftlingen und „normalen“ Gefangenen. Für sie seien alle Menschen gleich, so Murat.

Die Forderung des ABC – Gefängnisse grundsätzlich abzuschaffen und die Solidarität mit allen Gefangenen – ist radikal und in der Gesellschaft kaum vermittelbar. Neben der Position, die das „Einsperren“ als Ganzes in Frage stellt, bieten die Anarchisten mit einzelnen Fragestellungen durchaus wichtige Impulse für einen grundsätzlichen Diskurs zum Strafvollzug.

In diesem Jahr wird es zwei Themenschwerpunkte geben: Mit der Demonstration am Nachmittag zur JVA Lichtenberg soll der Fokus auf die Situation von inhaftierten Frauen gelegt werden. Wie Murat berichtet, sitzen viele der Frauen wegen Eigentumsdelikten im Gefängnis. Insbesondere soll auf die inhaftierte Aktivistin Gülaferit Ünsal aufmerksam gemacht werden, die seit einem Jahr in Untersuchungshaft sitzt, weil sie die in der Türkei und Deutschland verbotenen marxistischen Organisation „Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front“ unterstützt haben soll. Seit Juli läuft ein Prozess gegen die Aktivistin am Kammergericht Berlin. Die politische Handhabe liefert der Paragraph 129b, der die strafrechtliche Verfolgung von im Ausland aktiven Vereinigungen in Deutschland ermöglicht. „Gülaferit Ünsal ist eine politische Gefangene. Wir fordern ihre Freilassung“, sagt Murat.

Am Abend dann wird es vor allem um die sogenannte „Gefängnisindustrie“ gehen. Hinter dem Schlagwort verbirgt sich die Teilprivatisierung von Gefängnissen. In den USA und Großbritannien ist dies seit Jahrzehnten reguläre Praxis. Seit einiger Zeit gebe es diesen Trend auch in Deutschland, sagt Murat. Vor allem bei Gefängnisneubauten werde das Outsourcing betrieben. Die Gruppe kritisiert an dem Verfahren, dass private Firmen Gewinne auf Kosten der Häftlinge erwirtschaften. „Es kann nicht sein, dass einzelne Firmen vom Knast-System profitieren“, findet Murat. Wie er berichtet, seien auch in der neu gebauten Justizvollzugsanstalt Heidering in Großbeeren bei Berlin drei Arbeitshallen geplant, in denen Gefangene für Privatunternehmen Vollzeit arbeiten sollen.Die Ausbeutung von Häftlingen ist für den ABC einer von vielen Gründen, an Silvester auf die Straße zu gehen.

Lukas Dubro

Wann & wo?

Silvester-Demos
Unter dem Motto „Silvester zum Knast – Grenzen und Mauern einreißen, für eine solidarische Gesellschaft“ finden dieses Jahr zwei Demonstraionen statt.

Demonstration vor die Justizvollzugsanstalt Moabit, Start: 22.45 Uhr, U-Bahnhof Turmstraße

Demonstration zur Justizvollzugsanstalt für Frauen in Lichtenberg, Start: 15 Uhr, S-Bahnhof Frankfurter Allee

Im Netz: www.abc-berlin.net


Poster, Banner

 


Demobericht

Zweimal kraftvoll zum Knast

Am letzten Tag des Jahres gab es in Berlin, wie auch schon in den Jahren zuvor, zwei Demos, die zu Knästen hingingen, um damit den Gefangenen unsere Solidarität auszudrücken und ihnen zu zeigen, dass wir sie auch im neuen Jahr nicht vergessen werden. Mobilisiert wurde dieses Jahr unter dem Motto: „Grenzen und Mauern einreißen – für eine solidarische Gesellschaft!„. Dazu gab es erstmalig eine eigene Webseite, die auch in den nächsten Jahren als Plattform dienen und somit die Kontinuität der Kämpfe aufzeigen soll. Wir wünschen uns, dass dies außerdem zur Verbreiterung der Idee am Silvestertag (und jedem anderen Tag im Jahr) die Knastgesellschaft zu thematisieren und vor die Knäste zu ziehen beiträgt. Unsere Verbundenheit mit den Demos und Aktionen vor den Knästen in anderen Städten haben wir versucht zu vermittelt, indem wir eine Grußbotschaft versandt haben.

Bereits in den Nachmittagsstunden versammelten sich über 200 solidarische Personen am Bahnhof Frankfurter Allee und zogen zum Frauenknast Lichtenberg in der Alfredstrasse. Vor dem Knast gab es einen Redebeitrag über die dort inhaftierte linke türkische Aktivistin Gülaferit Ünsal, die nach dem §129b angeklagt ist. Außerdem gab es einen zweiten Redebeitrag, welcher eine Knastkritik formulierte im Bezug auf den Knast vor dem standen. Die Gefangenen konnten uns leider nicht sehen, da alle Zellen zum Innenhof gerichtet sind. Aber aus Erfahrungen aus vorhergehenden Aktionen vor dem Knast wissen wir, dass die Gefangenen uns hören konnten. Es ging dann einmal um den Knast herum und wieder zurück zum Bahnhof.

Am Abend kamen bis zu 500 Personen nach Moabit, um vom U-Bahnhof Turmstrasse zum nahegelegenen Untersuchungshaftknast zu ziehen. Durch penetrante Kontrollen und nervige Durchsuchungen der eingesetzten „Ordnungshüter_innen“ verzögerte sich der Demobeginn. Aber dann ging es um kurz vor halb zwölf kraftvoll und entschlossen los. Zum Auftakt wurde der Aufruf vorgetragen, im Laufe der Demo gab es lautstarke Sprechchöre für die Freiheit aller Gefangenen und gegen die Existenz von Knästen und Zwangsanstalten. Angekommen vorm Knast gab einen Redebeitrag von out of control und Grussworte an die Gefangenen. Hinter den vergitterten Fenstern waren viele Gefangene zu sehen, welche die Demo begrüßten. Gegen halb eins wurde die Demo aufgelöst,alle zogen ihrer Wege.
Die Bullen traten die ganze Zeit über mit einer aggressiven Grundstimmung auf, da sie befürchteten durch herumfliegende Knaller und Pyrotechnik verletzt zu werden. Im Verlauf wurde die Demo mehrmals aufgehalten, während der Abschlusskundgebung kam es dann zu mehrere Festnahmen.


Photos

gefunden auf facebook

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weitere Fotos unter: www.demotix.com + www.demotix.com


Redebeiträge, Grussworte

Redebeitrag zum §129b und den europäischen Überwachungsansprüchen bundesdeutscher Behörden

In der Lichtenberger JVA sitzt auch die linke türkische Aktivistin Gülaferit Ünsal. Vor weit über einem Jahr wurde sie aus Griechenland an deutsche Behörden ausgeliefert, die sie aufgrund abstruser Beschuldigungen hier verurteilen und lange in den Knast stecken will.

Angeklagt wird sie nach 129b. Allerdings geht es nicht um Vorwürfe, die sich in der BRD abgespielt haben sollen, sondern um ihre vermeintliche Zugehörigkeit zu einer linken türkischen Organisation, der DHKP-C. Gülalferit war bereits mehrere Jahre in der Türkei aufgrund ihrer gewerkschaftlichen Arbeit inhaftiert und hatte sich dabei auch in einem langen Hungerstreik mit anderen kämpfenden Gefangenen in der Türkei solidarisiert. Sie wird also in der BRD für politische Arbeit angeklagt, die in der BRD (noch) nicht strafbar ist, sondern lediglich nach den Vorstellungen der durch eine Militärdiktatur gestützten türkische Regierung.

Möglich ist dies überhaupt nur wg. der europäischen Absprachen im Kampf gegen den sog. „Terrorismus“, wie es in zahlreichen Abkommen formuliert wurde. Als „Terrorismus“ wird hier bezeichnet, was die herrschenden Verhältnisse in den EU Staaten und ihren Verbündeten grundsätzlich in Frage stellt. Wollen Behörden und Medien uns allen Glauben machen, es handele sich hierbei um schwere Gewalttaten oder Verbrechen, macht gerade der Paragraph 129 mit seinen Buchstaben a und b deutlich, dass es sich hier um reine Gesinnungsjustiz und Überwachung missliebiger Gruppen und ihrem Umfeld handelt. So geht es in diesen Verfahren in der Regel nicht um konkrete Tatvorwürfe, sondern meistens um die Mitgliedschaft oder inhaltliche Zustimmung zu einer Organisation, die zuvor als „terroristisch“ definiert worden ist. Außerdem eröffnet der 129 Paragraph den Überwachungsorganen die Möglichkeit, ohne Kontrolle und richterliche Beschlüsse Tausende von Menschen im Umfeld der jeweils Angeklagten ohne ihr Wissen geheimdienstlich zu überwachen und auszuspionieren. Während sich beinahe alle bundesdeutschen Geheimdienste und Landeskriminalämter schützend vor die Nazi-Mörder_innen der NSU stellten, betrieben und betreiben sie gleichzeitig massive Überwachung gegen politisch als links eingestufte Menschen, sowohl in der BRD als auch darüber hinaus.

Warum können sich die BRD Behörden Gülaferit Ünsal aus Griechenland oder vor kurzem auch Metin Aydin aus der Schweiz überhaupt ausliefern lassen? Beide haben nach lokalen Gesetzen keine Straftaten begangen.

Der Paragraph 129b erweitert die bundesdeutsche Überwachungs- und Gesinnungsjustiz von der BRD auf die umliegende EU. Es ist offensichtlich, dass in der EU starke Macht- und Hierarchie Gefälle bestehen – während Staaten wie die BRD oder Frankreich in allen wesentlichen Fragen den Ton angeben. Für die allgemeinen Machtansprüche der Herrschenden ist es also von Bedeutung, ihre polizeiliche Macht auch auf Gebiete auszudehnen, wo sie zuvor keinen Zugriff hatte. Die seit 2009 existierende Verfassung der EU ermöglicht dabei sogar Militäreinsätze gegen die Zivilbevölkerung bei lokalen Aufständen. Auch die Wiedereinführung der Todesstrafe ist unter Kriegsrecht durch diese Verfassung möglich.

Im Moabiter Gericht findet nun bereits seit Monaten der Prozess gegen Gülaferit Ünsal statt, indem Justiz und Staatsanwaltschaft ganz deutlich machen, wie sehr es ihnen dabei auch um Einschüchterung der Öffentlichkeit. Der Prozess gegen Gülaferit Ünsal findet unter starken Sicherheitsauflagen statt, so dass kaum Beobachter_Innen in den Gerichtssaal kommen. Sämtliche Personalien von Beobachter_Innen werden festgehalten, Schlüssel u.a. abgenommen und im Zuschauer Raum anwesende Polizist_Innen bedrohen alle Anwesenden. Die Gefangene muss in einem abgeschotteten Glaskäfig diesem Schauspiel beiwohnen. In den ersten Verhandlungstagen war sie noch nicht einmal in der Lage, die türkische Übersetzung ihrer Verhandlung zu hören, weil es keine Übertragung davon in den Käfig gab. Der Ausgang ihres Verfahrens steht dabei von vornherein fest – auch wenn sich BKA und Staatsanwaltschaft sehr schwer damit tun, Gülaferit konkrete Straftaten zuzuordnen, wird sie in den kommenden Monaten höchstwahrscheinlich als sog. „Terroristin“ verurteilt werden.

Ähnliches passierte in den letzten Jahren bundesweit bereits über 20 Mal gegen andere politische Aktivist_Innen, zumeist aus Kurdistan oder der Türkei. Ihnen allen droht nach abgesessener Haftstrafe die Abschiebung in die Türkei, wo sie weitere Folter und Haft erwartet.

Wollen wir die unterschiedlichen Methoden staatlicher Zwangsanstalten ernsthaft bekämpfen, dürfen wir zu dieser besonderen Form des staatlichen Terrorismus nicht schweigen.

Unterstützt Gülaferit und andere Angeklagte gegen 129a und b Anklagen!
Schreibt den Gefangenen – beobachtet die Prozesse – schafft Öffentlichkeit!
Herzliche Grüße an Gülaferit und alle anderen Gefangenen hinter diesen Mauern – kein Knast steht ewig – für eine Gesellschaft ohne Knäste!


von Berlin aus verschickte Grußbotschaft

Solidarische Grüße aus Berlin an alle Gefährt_innen, die für die Freiheit kämpfen und sich gegen das System des Knastes und der Knastgesellschaft wenden. Herzliche Grüße an die Menschen, die hinter den Mauern dieser Institution gefangen gehalten werden.

Auch wir versammeln uns heute auf den Straßen vor den Knästen um mit den inhaftierten Menschen gemeinsam das neue Jahr zu beginnen.

Gemeinsam soweit es uns möglich ist, denn wir stehen hier vor Mauern, die uns gezielt trennen sollen und auch in unserem Alltag allgegenwärtig sind.

An Tagen wie Silvester, an denen die Menschen gemeinsam Feiern und sich in den Straßen bewegen um das neue Jahr zu beginnen, finden wir es wichtig, uns mit denen, die von Staat und Gesellschaft weg gesperrt sind, solidarisch zu zeigen.

Für uns kann ein Ausschluss aus der Gesellschaft, aufgrund von nicht Regel konformen Verhalten niemals die Lösung des Konfliktes bedeuten. Es bedeutet eher, dass Menschen verurteilt werden, wenn sie sich nicht an Regelwerke halten, welche sie niemals eigenverantwortlich und selbstbestimmt mit gestaltet haben. So können und wollen wir Gesellschaft nicht akzeptieren!

Wir sind gegen Knäste und alle einsperrenden Institutionen, weil eine Gesellschaft, die es braucht

Menschen einzusperren und zu erniedrigen selbst ein Knast ist.

Solidarität mit allen Rebell_innen, die egal ob wo auf dieser Welt, die mehr vom Leben erwarten als zu Konsumieren und Funktionieren.

Freiheit für alle! Auf dass unsere Leidenschaft für die Freiheit die Mauern zum Einstürzen bringt!

Fire to the Prisons!


Demos / Aktionen in anderen Städten

Frankfurt/Main –> vorher: www.verdammtlangquer.org –> nachher: www.verdammtlangquer.org
Hamburg –> nachher: linksunten.indymedia.org
Stuttgart –> vorher: silvesterdemo-stuttgart.tk + afunke.blogsport.de –> nachher: linksunten.indymedia.org + linksunten.indymedia.org
Bremen –> vorher: endofroad.blogsport.de –> nachher: endofroad.blogsport.de
Köln –> vorher: autonomes-knastprojekt.blogspot.de –> nachher: linksunten.indymedia.org
Freiburg –> nachher: www.ag-freiburg.org
Kiel –> nachher: linksunten.indymedia.org
Dresden –> nachher: linksunten.indymedia.org
Ulm –> https://linksunten.indymedia.org/de/node/75332

Wien –> vorher: linksunten.indymedia.org –> nachher: linksunten.indymedia.org

Basel –> nachher: www.aufbau.org

London –> network23.org/londonabc
London-Brixton –> nachher: actforfree.nostate.net

Angers –> en.contrainfo.espiv.net

Athen –> vorher: en.contrainfo.espiv.net –> nachher: http://en.contrainfo.espiv.net

Helsinki –> nachher: en.contrainfo.espiv.net

New York City –> vorher: nycabc.wordpress.com –> nachher: anarchistnews.org
Seattle –> anarchistnews.org
Durham –> nachher: www.anarchistnews.org

Montreal –> vorher: montreal.mediacoop.ca –> nachher: anarchistnews.org
New Orleans –>vorher: nolaanarcha.blogspot.de –> nachher: anarchistnews.org

Valladolid, Sevilla, Madrid, Barcelona, Teixeiro –> boletintokata.wordpress.com
Freiburg –> nachher: linksunten.indymedia.org

Cardiff –> nachher: actforfree.nostate.net
Nottingham –> nachher: 325.nostate.net

Amsterdam –> nachher: 325.nostate.net

Vancouver –>nachher: www.anarchistnews.org
Southern Ontario –> nachher: www.anarchistnews.org
Oakland –> vorher: www.indybay.org –> nachher: www.indybay.org  + Video + Photos

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