SilvesterZumKnast_Plakat


Aufruf

Auch am Ende diesen Jahres wollen wir wieder ein kraftvolles Zeichen der Solidarität setzen: mit den Menschen, welche Gesetze und bürgerliche Normen gebrochen haben, deswegen von der Justiz weggesperrt und in den Betrieben der Knäste unter den prekärsten Bedingungen ausgebeutet werden. Alles im Namen der angeblichen „Wiedereingliederung in die Gesellschaft“ und „Sicherheit der Allgemeinheit“. Doch damit hat Knast tatsächlich wenig zu tun.

Knast ist ein Resultat der uralten Praxis der Herrschenden des Strafens und Abschreckens.

Wer gegen geltendes Recht und damit gegen eine Moral, welche von oben gepredigt wird verstößt, wird weggesperrt. Wegsperren bedeutet, aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden und nur wieder Zutritt zu gelangen, wenn mensch sich angepasst verhält und ausbeuten lässt.

Aber Knast ist nicht nur eine Institution des Staates: vielmehr zieht sich das Konstrukt durchs ganze Leben, auch in der angeblichen „Freiheit“. Nur so lässt sich die stetige Überwachung im öffentlichen Raum durch Videokameras, Polizeipräsenz, magnetische Detektoren am Ausgang der Geschäfte, Identitätscodes in Ausweisen und Dokumenten, permanente Verbotshinweise (welche es zu befolgen gilt!) und das Gebot, dass Fahrradfahrer immer rechts auf dem zugeschriebenen Weg fahren müssen, erklären.

Wir leben in einer totalen staatlichen Überwachung, im „Freiluftraum Knast“ welche bei einem Norm- oder Gesetzesverstoß in der Institution der JVA endet.

Menschen, die sich gegen diese Verhältnisse wehren wollen, werden weggesperrt.

Die bisherigen Verfahren gegen Aktivist*innen, welche ihren legitimen Protest gegen den G20-Gipfel in Hamburg auf die Straße trugen, haben gezeigt, wie jeglicher Widerstand kriminalisiert, diffamiert und delegitimiert werden soll. Nahezu jede*r Beschuldigte*r wurde zu einer exorbitanten Haft- oder Bewährungsstrafe verurteilt. Das ist nicht akzeptabel!

Ebenso wenig annehmbar ist, dass Menschen weggesperrt werden, welche durch die kapitalistische Verwertungslogik, permanente Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, strukturelle Benachteiligung und Diskriminierung an den Rand der Gesellschaft getrieben wurden.

Der Ausschluss aus dem „Freiluftraum Knast“, wenn sich nicht an vorherrschende Regeln gehalten wird. Das Mittel ist die totale Kontrolle durch stetige Überwachung. Das repressivste Resultat die das Wegsperren in einer JVA.

Durch Knast soll Gesetzesbrecher*innen gezeigt werden, wer wirklich das Sagen hat: der Staat und seine Gesetzeshüter*innen. Das Stichwort ist dabei die Disziplinierung: du sollst nicht rebellieren, du sollst die Regel draußen befolgen, du sollst nicht klauen, du sollst nicht an den Protesten gegen den G-20 Gipfel teilnehmen, du sollst dich angepasst verhalten und dir ein Bahn-Ticket kaufen. Knast als totale Disziplinierungsinstitution. Die stetige Überwachung des öffentlichen Raums erfüllt dabei auch ihren Zweck: als Disziplinarmittel fordert sie ebenfalls angepasste Individuen, die sich draußen nach Vorstellung von Vater Staat verhalten, nicht rebellieren und vorherrschende Gesetze nicht brechen.

Knast ist aber auch nicht losgelöst vom kapitalistischen Verwertungssystem.

Knäste der BRD sind betriebswirtschaftlich organisiert, gleichen Werkshallen in denen Profite auf Kosten der Gefangenen gemacht werden. Während arbeitende Gefangene etwa 1-2 Euro die Stunde für ihre Knastarbeit verdienen, bereichern sich große Konzerne wie Mercedes, Porsche, BMW aber auch landeseigene Behörden, wie zum Beispiel das Berliner Abgeordnetenhaus an der Niedriglohninsel Knast. Ausbeutung für eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft und Sicherheit der Allgemeinheit?!?

Wer jetzt im Knast die Idee hat, dass eben all diese Verhältnisse nicht akzeptiert werden können, muss mit weiteren Repressalien kämpfen. Dabei geht es nicht um große Revolten oder Aufstände: im Knast wird der kleinste Widerstand mit harter Repression beantwortet.

Gefangene in der JVA Tegel unterzeichneten zum Beispiel eine Petition gegen einen gewalttätigen Sozialarbeiter. Reaktion der JVA? Die Unterzeichner der Petition erhielten Meuterei Vorwürfe, Haftverlängerungen und zugesprochene Haftlockerungen wurden verweigert.

Durch maximale Repression, Unterdrückung und Kleinhaltung sollen Gefangene dazu getrieben werden, sich nicht gegen vorherrschende Verhältnisse zu wehren.

Während der Staat diejenigen mundtot macht, welche durch das Gesetz für möglichst lange Zeit in den Knästen gefangenen sind, werden diejenigen terrorisiert und maximal kontrolliert, die es schaffen, draußen zu bleiben.

Trotzdem gibt es sie noch: rebellierende, kämpfende Gefangene! Gefangene in den Knästen, welche sich gegen die Anstalten und das System Knast wehren und Gefangene draußen, welche gegen die totale Überwachung, den „Freiluftraum Knast“ rebellieren und sich mit den Knast-Gefangenen solidarisieren.

Auch wir wollen wieder am 31.12.2017 unsere Solidarität mit allen Gefangenen zeigen! Lasst und gemeinsam, drinnen wie draußen gegen die aktuellen Verhältnisse widerständig sein! Lassen wir uns nicht einschüchtern – weder durch Kameras, Polizei und Justiz draußen, noch doch durch die Repression innerhalb der Knäste!

Ein Zusammenhalt von drinnen und draußen ist enorm wichtig. Nur so können wir für eine Gesellschaft ohne Knäste und für eine Öffnung des „Freiluftraums Knast“ kämpfen.

Fight borders, nations and prisons!


Termin

Demo: 31. Dezember 2017, 23:00 U-Bahnhof Turmstr.


Poster, Banner

SilvesterZumKnast_Plakat


Presse

erschienen am 30. Dezember 2017 in der Tageszeitung neues deutschland:

Silvester zum Knast – gegen die Repression
Wie jedes Jahr wird in Berlin zum Jahresende zur Justizvollzugsanstalt demonstriert
Von Tim Zülch 30.12.2017

Kalt ist es meist, dunkel immer. Oft regnet oder schneit es. Man kann sich sicher Schöneres vorstellen, als am Silvesterabend kurz vor 24 Uhr begleitet durch ein beidseitiges Polizeispalier auf einer Demo durch Moabit zu laufen, um vor Knastmauern zu hoffen, dass die ein oder andere Silvesterrakete, die Insassen der dortigen Justizvollzugsanstalt erfreut. »Auch am Ende dieses Jahres, wollen wir wieder ein kraftvolles Zeichen der Solidarität setzen«, schreiben die Organisatoren im Aufruf, der auch auf ihrer Webseite veröffentlicht ist, die zu allen Knastdemos in Berlin seit 1993 Material, sei es Plakate oder Berichte, bereithält. »Lassen wir uns nicht einschüchtern! Ein Zusammenhalt von drinnen und draußen ist enorm wichtig. Nur so können wir für eine Gesellschaft ohne Knäste … kämpfen«, heißt es im Aufruftext, der auch die »totale staatliche Überwachung«, den »Knast als totale Disziplinierungsinstitution« und die »Ausbeutung durch Niedriglohnarbeit« anprangert.

Die Gewissheit, im letzten Augenblick des Jahres das genau Richtige zu tun und das sich vor den Mauern der JVA schnell einstellende Gefühl der Verbundenheit mit den linken Aktivisten hinter den Mauern, macht die alljährliche Knastdemo tatsächlich zu einem einprägsamen Erlebnis. Über den letztjährige Marsch schreibt ein anonymer Chronist: »Die Demo wurde von Gefangenen im Knast enthusiastisch begrüßt, die durch Winken und Klopfen ihre Freude zum Ausdruck brachten und auch in die ein oder andere Parole einstimmten«.

Immer wieder versuchen die Organisatoren auch, Insassen telefonisch zu erreichen. Dieses Jahr soll speziell auf die hohen Haftstrafen eingegangen werden, die Aktivisten im Rahmen der Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg erhielten. In der Vergangenheit fanden oft zwei Knastdemos statt, wobei eine nach Moabit, die andere zu einer Frauenhaftanstalt führte. Dies scheint diesmal allerdings nicht der Fall zu sein. Eine diesbezügliche Nachfrage bei den Organisatoren blieb unbeantwortet.

Start: 31. Dezember, 23 Uhr, U-Bahnhof Turmstraße,


Demobericht

Radio Aktiv Berlin: Silvester zum Knast – Gespräch über Berliner Demonstration

erschienen am 02.01.2018 auf radioaktivberlin.blogsport.de

Ca. 300 Menschen beteiligten sich am vergangenen Silvesterabend an einer Demonstration zur Abschaffung aller Gefängnisse und in Solidarität mit Gefangenen. Die Demo zog an der JVA Moabit vorbei, aus der Gefangene intensiv winkten und offensichtlich großen Anteil nahmen.

In einem Studiogespräch gingen zwei Teilnehmer auf die Stimmung und Inhalte dieser Demo ein. Verschiedene Gefangene, die in der JVA Moabit sitzen oder bis vor kurzem sassen, werden erwähnt. Auch die Beiträge über die Zusammenhängen zwischen Knast und Privateigentum, Drogen, Gefängnisindustrie oder Reichtum & Armut werden angeschnitten und die Forderung nach einer Gesellschaft ohne Gefängnisse genauer erläutert. Dabei gehen die beiden auch auf den häufig formulierten Mythos ein, dass Knäste der Gesellschaft einen angeblichen Schutz vor Gewalttäter*innen bieten würden.


Demos / Aktionen in anderen Städten

Flensburg: de.indymedia.org
Hamburg: de.indymedia.org
Köln: de.indymedia.org
Stuttgart: de.indymedia.org

Übersicht über die Aktionen in Nordamerika: itsgoingdown.org