Das Patriarchat soll sich an uns die Zähne ausbeißen…


Aufruf

Dieses Jahr wollen wir am 31.12. mit euch zum Frauen*knast in Lichtenberg laufen. Wir verbringen den Jahreswechsel wie immer vor dem Knast und demonstrieren unsere Freund*innenschaft mit den Eingeknasteten. Wir sind laut und unberechenbar – diese Nacht soll hell leuchten, nicht nur durch das rituelle Feuerwerk. Zum Auftakt laden wir euch auf den Dorfplatz ein, um mit Glühwein und Punsch auf den nun 1 jährigen Widerstand der Liebig 34 gegen die Räumung anzustoßen.

Für die Liebig34 wird es zum Ende des Jahres ernster. Am 16.12.2019 wird die Räumungsklage erneut verhandelt, nachdem der letzte Gerichtstermin zu einem totalen Desaster gemacht wurde und nicht verhandelt werden konnte. Als Strategie der Einschüchterung soll der Prozess nun am Strafgericht in der Wilsnackerstraße verhandelt werden, um höchste Sicherheitsvorkehrungen durchsetzen zu können. Das malt uns ein hämisches Grinsen auf das Gesicht, denn sie haben Angst und das zeigt, dass wir alles richtig gemacht haben. Egal wie der Prozess ausgeht, wir werden kein Urteil hinnehmen und weiter die sich selbsternannten Autoritäten vor Gericht nicht anerkennen. Wir sind viele und überall, nicht nur vor den Richter*innenpulten. 2 Wochen nach dem Prozess, also ab dem 30.12.2019, können sie uns theoretisch und frühestens aus unserem Zuhause räumen. Wir wissen nicht, ob sie sich daran halten, den Räumungstermin anzukündigen, oder ob sie versuchen uns einfach irgendwann morgens in diesem Winter aus dem Haus zu kriegen. Egal wie: wir sind vorbereitet. Bereitet auch ihr euch auf Tag X vor!

Natürlich sind unsere Gedanken besonders in diesen Tagen bei den von Repression Getroffenen, die in Knästen sitzen und den Schließer*innen in die selbstgefälligen Fressen gucken müssen. Knast ist ein von Kapitalismus und Patriarchat durchzogenes System, das es zu bekämpfen gilt. Deswegen wollen wir dieses Silvester erneut unsere Kämpfe verbinden und vom Dorfplatz vor der Liebig34 zum Lichtenberger Frauen*knast laufen.

Knast ist gegendert. Während Männer bessere Bürger werden sollen, ist das Ziel, eingeknastete Frauen* zu besseren Müttern und Ehefrauen zu rehabilitieren. In vielen Ländern sind dies vor allem Frauen* aus der Arbeiter*innenklasse, Frauen* of Color und schwarze Frauen*. Das zeigt die Absicht des Systems, eine Gesellschaft oder sogar ein Land zu haben, in der bestimmte Frauen* für die Bedienung anderer bestimmt sind. (1)

Besonders schwer haben es Trans, Inter, und genderqueers im Knast. Vorgesehen sind nur Knäste für Frauen* oder Männer*. Trans und Inter Menschen werden ihrem im Ausweis beschriebenen Geschlecht zugeordnet und dementsprechend verwahrt, auch wenn das in keinster Weise mit ihrer gelebten Identität übereinstimmt. So kommt es, dass trans-Frauen oft in Männer*gefängnissen eingesperrt werden. Im Knast ist es außerdem noch schwieriger, Hormone und andere wichtige Behandlungen zu erhalten.

Jeden Tag geschehen Femizide, werden FLINT*-Personen durch das patriarchale System ermordet, misshandelt, verletzt, in Deutschland genauso wie im Rest der Welt. Neben den physischen Übergriffen sind wir außerdem struktureller Unterdrückung ausgesetzt, sollen uns von cis-Typen und staatlichen Organen beschützen lassen, statt uns selbst zu verteidigen. Wehren wir uns gegen die tagtägliche Gewalt, erheben wir uns vom Status des Objekts, das begehrenswert zu sein hat, zu aufbegehrenden Subjekten. Als Folge versuchen uns die Repressionsbehörden zu zähmen und die Gefahr, die von uns ausgeht, im Keim zu ersticken. Feministischer Widerstand weltweit zeigt deutlich, dass wir uns nicht zähmen lassen. Ob die jüngsten Riots in Chile, Widerstand gegen die rassistische Migrationspolitik der EU, „Ni una menos“ in Südamerika, Frauen*-Milizen der YPJ in Rojava oder feministische Kiezpatrouillien in Exarchia/Athen- es ist ein feministischer Kampf für die Befreiung aller Menschen zu kämpfen.

Angesichts des allgegenwärtigen Rechtsrucks gilt noch einmal mehr: Feminismus geht nur antirassistisch. Während zweifelhafte „Frauenrechtlerinnen“ von rechts versuchen, ihre rückwärtsgewandten Rollenbilder gesellschaftsfähig zu machen und weiße Frauen* als „Opfer“ von Einwanderung darzustellen, werden Migrant*innen immer schärfer kriminalisiert. Das sogenannte „Migrationspaket“, das die deutsche Bundesregierung diesen Sommer verabschiedet hat, erleichtert die Inhaftierung von Menschen, die abgeschoben werden sollen, deutlich. Auch wurde die Trennung von Abschiebehaft und Strafhaft aufgehoben. Diese Vermischung von Präventiv- und Strafhaft macht umso deutlicher: Unser Hass auf die Repressionsorgane endet nicht an den Knastmauern. Antiknastarbeit bedeutet auch: Alle Lager abschaffen!

Lasst uns diesen 31.12. den Gefangenen und allen dort draußen zeigen, dass Sisterhood kein leeres Wort ist. Gegen das cis-heteronormative System und alle, die dieses System verteidigen! Liebig34 lebt und kämpft.

Wir treffen uns um 22.30 Uhr zu Glühwein und Punsch am Dorfplatz vor der Liebigstraße 34.

Genauere Infos zur Route folgen, informiert euch hier und auf liebig34.blogsport.de.


Termine

27. Dezember 2019, 16:00 Uhr, Liebig34, Gefangenenschreiben & Input zu Antiknast – und Antirepressionsarbeit

31. Dezember 2019, 22:30 Uhr, am Dorfplatz vor der Liebig 34, dann Demo zum Frauen*knast


Grussworte

Thomas-Meyer-Falk: Grußwort für die Silvesterdemo 2019

Herzliche, kämpferische und laute Grüße hier aus dem Knast. 2019 geht zu Ende. Und so wie sich der Irrsinn vor den Mauern scheinbar immer schneller dreht, wird auch das Leben im Knast nicht besser. Auch dieses Jahr sind Menschen in den Knästen gestorben! Beziehungen sind kaputt gegangen! Insassen und Insassinnen landeten im Bunker und in ihrer Verzweifelung schlugen sie über Stunden an Zellenwände. Seelisch gewachsen wird kaum jemand sein. Die Liebe zum Leben hat wohl auch so gut wie niemand für sich entdeckt. Wie auch!? In einem System das auf Repression, Disziplinarmaßnahmen und Isolierung setzt! Ja, es gibt sie auch,die sogenannte Behandlung. Wer mag, der kann sein Herz bei den Therapeutinnen und Therapeuten ausschütteln. Aber wenn ich mich hier so umschaue, wirklich weiter bringt es nur die Allerwenigsten.

Umso schöner, umso wichtiger, dass Ihr heute hier vor den Knastmauern steht! Ihr setzt den Knastbediensteten und den kalten Mauern aus Stein und Stahlbeton und dem Stacheldraht ein kämpferisches Zeichen entgegen! Ein lebendiges Zeichen noch dazu! Ein Zeichen der Hoffnung für diejenigen, die hier mal Wochen, Monate oder gar Jahre leben müssen. Die Euch jetzt hören und vielleicht sogar über die Mauern hinweg sehen können. Ihr zeigt uns, dass wir weder vergessen, noch alleine sind.

Hier aus Zelle 133 im südbadischen Freiburg, deshalb ebenso herzschlagende, wie kämpferische und lebendige Grüße zu euch vor der Knastmauer! Auf ein besseres Jahr 2020! Für eine Gesellschaft ohne Knäste!

Thomas Meyer-Falk -Langzeitinsasse seit 1996-

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA (SV), Hermann-Herder-Str.8, 79104 Freiburg


Demobericht


Demos / Aktionen in anderen Städten

Internationaler Aufruf in deutsch und englisch

Freiburg: https://de.indymedia.org/node/55433

Hamburg: https://de.indymedia.org/node/56042 

Stuttgart: http://silvestermobi.blogsport.eu/

Dresden: https://de.indymedia.org/node/56171