Aufruf
Solidarität aufbauen! Knäste einreissen! Kapitalismus abschaffen!
4129 Gefangene verteilt auf acht Knäste sind in Berlin gerade von staatlichen Stellen weggesperrt. Sie werden so für ihre sogenannten „Vergehen“ bestraft. Es wird oft behauptet, dass im Gefängnis die gefährlichsten der gefährlichen Verbrecher*innen sitzen. In Wahrheit ist der Knast viel mehr eine Verwahranstalt für diejenigen, die den Regeln, Verboten und Normen der kapitalistischen Gesellschaft – freiwillig oder unfreiwillig – nicht entsprechen. Er soll als Abschreckung für andere dienen, damit ihnen gar nicht erst etwas anderes einfällt, als sich einzuordnen und vor allem unterzuordnen sowie ihre Rolle im Verwertungsprozess einzunehmen.
In der JVA Plötzensee ist mehr als die Hälfte der Gefangenen dort, weil sie ohne Ticket gefahren sind. Sei es, dass sie eine Haftstrafe verbüßen müssen, oder weil sie gegen sie verhängte Geldstrafen nicht bezahlen konnten. Insgesamt ist ein Viertel der Gefangenen weggesperrt, weil sie geklaut haben. Wer also arm ist und sich kein Ticket leisten kann, wird mit Knast bestraft. Wer nicht genug Kohle hat um einzukaufen, wird mit Knast bestraft. Wer nicht schön im Zahnrad der kapitalistischen Logik läuft, wird mit Knast bestraft und damit gesellschaftlicher Isolation, Ausschluss und sozialer und persönlicher Verelendung ausgesetzt.
Die humane Fassade, die sich das bürgerlich Justizsystem gibt, fällt angesichts des Knastalltags endgültig: Gefangene sind einem brutalem Arbeitszwang unterworfen, wie im kapitalistischen Alltag auch, nur dass im Knast dieser Zwang nicht verbrämt als „Freiheit zu Arbeiten“ bezeichnet wird. So werden Gefangene gezwungen zu einem Hungerlohn zu arbeiten und stellen z.B. in der JVA Tegel Polster für Berliner Behörden her. Dass sich Schließer*innen – wie 2016 ans Licht kam – mit den Ergebnissen dieser Ausbeutung bereicherten ist dabei nur ein zynische Spitze. Damit aber nicht genug: Mit jedem neuen Strafvollzugsgesetz verschlimmern sich die Zustände im Knast. So ist es seit dem 31.09.2016 nicht mehr möglich Pakete an Gefangene zu schicken. Alles begründet mit Hinweis auf die Kosten, die selbst durch kleinste Freuden, wie Pakete für Gefangene, entstehen.
Als müssten sich die Gefangenen noch dafür schämen, dass sie dem Staat mit der Gewalt, die ihnen angetan wird, auf der Tasche liegen.
Parallelen dazu sehen wir überall in der Welt. Eine seit Jahren wachsende Tendenz ist die Ausbereitung der Sklaverei im neo-liberalen Gewand. Allen voran in den USA, aber auch in Australien, UK, Spanien, Italien, Belgien und hier werden arme Menschen gezielt kriminalisiert, um sie als schlecht oder gar nicht bezahlte Arbeitskräfte in der Gefängnisindustrie auszubeuten. In den USA beteiligen sich seit September 2016 Zehntausende von Gefangenen an Streik- und Verweigerungsaktionen – sie fordern die Abschaffung der Sklaverei. Wir grüßen diese Gefangenen. Ihr Beispiel zeigt uns, dass es selbst unter Isolationshaftbedingungen möglich ist, sich zu erheben und solidarisch zusammen zu stehen: FREE THEM ALL!
Knast dient aber auch als Mittel der politischen Repression gegen all diejenigen, die sich gegen die ausbeuterischen, rassistischen, sexistischen Zustände hier und anderswo organisieren und agieren. Knast soll abschrecken und verhindern, dass sich Widerstand gegen diese herrschenden Verhältnisse organisiert.
2016 sind so unsere Genoss*innen Aaron und Balu, die mittlerweile wieder draussen sind, sowie Thunfisch in den Knast gewandert, weil sie sich in Berlin gegen die Bullen- Belagerung des Friedrichshainer Nordkiezes wehrten und die stadtweiten Kämpfe gegen Gentrifizierung, Vertreibung und Verdrängung unterstützten.
In der JVA Lichtenberg sitzt seit 2013 Gülafeit Ünsal ein, wegen ihrer vermeintlichen Mitgliedschaft in der Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) nach dem Terrorparagraphen 129b zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt, weil sie angeblich Spenden gesammelt und Schulungen organisiert hat.
In der JVA Moabit sind auch seit 2016 Ali und Cem, denen vorgeworfen wird Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu sein und die Busreisen zu Demos, Veranstaltungen und Kundgebungen organisiert haben sollen. Mit anderen Worten, sitzen sie alle hier in Berlin im Knast weil sie sich auf die eine oder andere Art und Weise gegen die herrschenden Verhältnisse aufgelehnt haben.
Lasst uns deswegen am 31. Dezember gemeinsam in Solidarität mit den 4129 Berliner Gefangenen und allen Gefangenen weltweit ein Zeichen setzen! Solange unsere Freund*innen und Genoss*innen im Knast sind, werden wir nicht still bleiben. Organisiert Widerstand gegen Knäste und die kapitalistische Gesellschaft, die sie benötigt.
FREIHEIT FÜR ALLE GEFANGENEN!
Termine
31. Dezember 2016 – 17:00 Uhr – Kundgebung vor der JVA Moabit (Alt-Moabit / Carl-von-Ossietzky-Park)
31. Dezember 2014 – 22:30 Uhr – Demo zur JVA Lichtenberg, Treffpunkt am Bhf Frankfurter Allee
Demobericht
Unter dem Motto „Gegen Gefängnisse und eine Gesellschaft, die sie benötigt!“ sind auch dieses Jahr wieder mehrere hundert Menschen vor die Berliner Knäste gezogen. Sie setzten ein Zeichen der Solidarität mit den 4129 Menschen, die momentan in Berlin vom Staat gefangen gehalten werden.
Schon am Nachmittag des 31. Dezembers kamen ca. 130 Menschen zur Kundgebung vorm Knast in Moabit, dem mit 971 Haftplätzen größten Knast der Stadt.
Neben Grußbotschaften von Thomas Meyer-Falk, Gülaferit Ünsal und der zur Zeit in Aachen einsitzenden anarchistischen Gefährtin wurden auch Redebeiträge der Soligruppe für Aaron, Balu und Thunfisch, der Roten Hilfe, kiralina, dem Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen, sowie dem Free-Mumia Bündnis verlesen.
Die Stimmung war entspannt, trotz massiver Vorkontrollen der Bullen. Die entblödeten sich auch nicht, die Kundgebung allen ernstes zur einzigen feuerwerkfreien Zone in Berlin zu erklären. Spitze der Dreistigkeit, war dass zu Beginn der Kundgebung ein Bulle mit Maschinenpistole mitten zwischen den Kundgebungsteilnehmer*innen rummackerte. Nach einer Intervention mehrerer Leute zog dieser dann doch ab.
Es wurden viele Parolen gerufen und eine Blechbläsergruppe gab ein spontanes Konzert. All das wurde von den Gefangenen im Knast enthusiastisch begrüßt, die durch Winken und Klopfen ihre Freude zum Ausdruck brachten und auch in die ein oder andere Parole einstimmten.
Am Ende gab es dann noch eine spontane Demo, mit den verbliebenen 50 Leuten, die nochmal eine Runde um den Knast machte und dann zurück zum U-Bahnhof Turmstraße zog.
Abends ging es dann an der Frankfurter Allee weiter. Nach einer Auftaktkundgebung, während der Aufruf zur Demo und die Grußbotschaften der Gefangenen verlesen wurden, setzten sich der ca. 250 Personen starke Aufzug in Bewegung und wuchs dann schnell auf ca. 500 Leute an.
Auf dem Weg zur JVA Lichtenberg wurden laut Parolen gerufen und am Rande der Demonstration Flyer verteilt. Die JVA Lichtenberg ist nach der Schließung der JVA Pankow einer von drei Frauenknästen in Berlin und mit 136 Prozent überbelegt. Momentan sitzen dort unter anderem Gülaferit Ünsal und Thunfisch ein.
Vor dem Knast angekommen gab es dann eine Zwischenkundgebung auf der nochmal die Grußbotschaften verlesen wurden und Musikwünsche von Gefangenen abgespielt wurden. Überraschenderweise war dort dann Gülaferit Ünsal am Telefon, die allen Anwesenden ein frohes Neues Jahr wünschte.
Um Mitternacht wurde dann laut vor dem Knast Silvester gefeiert. Die Polizei war sich dabei nicht zu schade, damit zu drohen die Demo aufzulösen, weil Feuerwerk gezündet wurde, während um die Demo herum Anwohner*innen ein Feuerwerksinferno veranstalteten. Menschen die die Demo verlassen wollten, wurden von sichtlich schlecht gelaunten Bullen zurück geschubst.
Leider war wegen der Architektur des Knastes in Lichtenberg nicht zu erkennen, ob und wie die Gefangenen die Demonstration mitbekamen.
Nach der Kundgebung lief die Demonstration noch einmal Parolen rufend um den Knast und wurde dann am Rodeliusplatz beendet, worauf sich die Teilnehmer*innen schnell verstreuten. Die Polizei hatte zwar deutlich sichtbar vor noch einige Menschen festzunehmen, soweit wir wissen haben sie aber niemanden erwischt.
Falls ihr erwischt wurdet, Festnahmen beobachtet habt, oder im Nachgang Repression erfahrt, meldet euch beim Ermittlungsausschuss oder der Roten Hilfe Berlin.
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